Aus der Chronik zur 40 Jahrfeier der Kanufreunde-Essen

1929 Irgendwo in Essen treffen sich samstags oder sonntags ein paar junge Männer. Das ist nichts von besonderer Bedeutung. Viele junge Männer haben solche Freundeskreise. Sie pflegen die Kameradschaft, erfreuen sich der Geselligkeit und wachsen mehr und mehr zusammen. Sie werden Freunde! Diese hier, fünf oder sechs waren es, hatten jedoch eine besonders starke Bindung. Sie hatten Boote! Sie liebten den Wassersport. Sie liebten die Natur, den Wald, das Feld und vor allen Dingen das Wasser!

Gemeinsame Freuden wurden zu gemeinsamen Interessen. Andere junge Leute kamen hinzu. Auch sie hatten Boote und tummelten sich in freien Stunden in und auf dem Wasser. Blieb es aus, dass eines Tages der Gedanke kam sich vereinsmässig zusammen zu schließen um den Wassersport als festes Anliegen aufzugreifen und ihm zu dienen?

Am 1. September 1930 wurde der Entschluss zur Tat. Die Paddelfreunde, so nannten sie ihren Zusammenschluss, waren gegründet. Man fand einen kleinen Raum in einem Mietsbootshaus an der Ruhr. Man hatte damit sein Domizil, einen Ausgangspunkt, zwar bescheiden aber doch für den jungen Verein ein stolzes Beginnen. Die Gründung des Vereins erfolgte in Jahren der wirtschaftlichen Not unseres Volkes.
Sparsamkeit, Bescheidenheit und sehr viel Opferbereitschaft standen bei der Gründung Pate. Not und Sorge aber zwingen zu größerer Kameradschaft und gesteigerter Leistung. Die in den folgenden Jahren gezeigten Erfolge, das ständige Wachsen des Vereins und letztlich der im Jahre 1932 gefasste Entschluss auch den Rennsport zu betreiben, sind die Früchte dieser harten Zeit. Die Paddelfreunde wurden mehr und mehr im damaligen Wassersport ein fester Begriff.

1932 begannen sie nicht nur mit dem Rennsport, sondern bezogen auf dem gleichen Gelände eine größere Unterkunft, in einem alten freigewordenen Maschinenhaus. Der Verein trat dem Deutschen Turnerbund (DT), Abteilung Kanusport, bei, um sich für Rennen innerhalb dieser großen deutschen Sportgemeinschaft zu qualifizieren. So jung die Gemeinschaft der “Paddelfreunde” war, so beachtlich waren ihre Erfolge. Der bedeutendste Sieg der ersten Jahre wurde bereits 1933 gefahren. Beim deutschen Turnfest in Stuttgart errang der Verein die deutsche Meisterschaft innerhalb des DT in zwei Faltbooten.

Wegen einer relativ geringen Gebühr, die der Verein nicht aufbringen konnte, musste die Eintragung ins Vereinsregister unterbleiben. Da aber bereits ein anderer Verein unter dem Namen Paddelfreunde eingetragen war, musste der Name geändert werden. Man entschloss sich die Namensbezeichnung

KANU-FREUNDE-ESSEN

anzunehmen. Es war der Name der später weit über die Grenzen Essens bekannt wurde. Im Wassersport waren die Kanu-Freunde mit beachtlichen Leistungen vorn. Zwei deutsche Jugendmeister im Zweier Kajak stellte der Verein und mancher Wassersportler der später Europa- und Weltmeister wurde, holte sich die Ausbildung und verdiente sich die Sporen bei den “Kanu-Freunden-Essen”.

Das alte Bootshaus war abgerissen! Die Notunterkunft hielten Besatzungstruppen inne. Die Situation 1945 schien verfahren. Kein Bootshaus. Der größte Teil der Mitglieder ohne Boote. Beschränkungen im Sport durch Verordnungen der Militärregierungen. Der Verein schien erledigt zu sein. Der Kampf ums Brot war dringlicher als Wassersport. Und doch verging kein Jahr nach Kriegsende, da trafen sich die ersten alten Treuen wieder.

Am 1. März 1946 sah das alte Vereinslokal Pingsmann seine Kanu-Freunde wieder. Die Bilanz war trostlos. Die Hoffnung gering. Der Wille aber ungebeugt. An die Arbeit hieß die Parole. Und wieder was es der gleiche Freund unseres Vereins, der, wie am Anfang, uns ein Heim zur Verfügung stellte. Es musste zwar wieder gemauert und gezimmert werden, genauso wie später, als das Heim zu klein wurde und wir durch Unterstützung eines R.W.E. Direktors Unterschlupf im alten R.W.E. Wassersportheim fanden. Stein um Stein wurde unter großen Mühen der Mitglieder zusammengetragen. Um die großen Opfer annähernd zu würdigen sei gesagt, dass damals auf dem “schwarzen Markt” ein Sack Gips 600,00 RM kostete.

1947 sollte bereits das erste Rennen gefahren werden. Ohne Rennboot! Ein altes Vereinsmitglied sprang ein. Er schaffte was unmöglich erschien. Das Rennboot war da! Die erste Regatta am 22.06.1947 auf dem Stausee in Essen wurde beschickt. Im ersten Protokollbuch steht auf Seite 6 als Motto der Ausspruch des Grafen Zeppelin.

Man muss nur wollen und daran glauben, dann wird es gelingen.

Diese Losung stand am neuen Anfang. Es war der Ausdruck und die Haltung echter Kanu-Freunde.

Nach Vorschrift der Besatzungsbehörden (jawohl das gab es ) wurde der Vorstand erstmalig im Jahre 1948 gewählt. Im gleichen Jahr wurde der Kanuverband Nordrhein-Westfalen gegründet.

Mitbegründer, die noch unter uns weilten, bestätigten, ohne übertriebenen Patriotismus, dass es vor dem Kriege schon zu Stolz berechtigte Mitglied der Kanu-Freunde. Trotz eines unausbleiblichen Aufs und Ab. Trotz der ständigen wirtschaftlichen Not des Vereins. Trotz der großen und kleinen Opfer, die immer wieder gebracht werden mussten.

Ein wichtiger Entschluss – dem Deutschen Kanu Verband (DKV) beizutreten, hatte beachtlichen Einfluss auf die Gemeinschaft der Kanu-Freunde und ihrer Geltung im Wassersport.

Ein Übel kommt selten allein. Das Maschinenhaus, in dem die Kanu-Freunde ihre Unterkunft hatten, wurde abgebrochen. Eine Notunterkunft (im Werdener Gymnasium) musste bezogen werden. Das zweite, weit größere Über zeichnete sich bereit am Horizont ab

Der zweite Weltkrieg

War die Laupendahler Landstraße mit ihren Unterkünften für uns ein Hort der Erfolge und des Aufstieges, so war das Gymnasium Stätte scheinbaren Unterganges. Der Krieg kam. Das Vereinsleben war tot. Die Mitglieder marschierten im Osten, Westen, Süden und Norden Europas. Drei blieben und bezahlten die Treue zum Vaterland mit ihrem Leben.

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Josef Hornkamp

Kurt Sachade

Erich Schroer

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Andere waren in Gefangenschaft, als der Krieg beendet war.

1948 zeigte sich unsere Rennmannschaft erstmalig wieder in guter Form. Die Bezirkskurzstrecken Regatta auf dem Baldeneysee am 25.04.1948 brachte zwei 1., sechs 2. und zwei 3. Plätze. Bei der Wuppertaler Stadtregatta wurden bei schlechtesten Wetterverhältnissen zwei 1., ein 2. und vier 3. Plätze erzielt.

Die Mitgliederzahl war am 13.06.1948 auf 35 gestiegen. Weitere größere Erfolge wurden erzielt. Bei den Westdeutschen Meisterschaften in Hannover 1948 wurden zum Beispiel wieder vier 1. Und vier 2. Plätze gefahren. Bei der Deutschen Meisterschaft in Wiesbaden belegte der Verein im vierer Kajak Männer jun. einen sehr guten 2. Platz. Zwei weitere 3. Plätze waren Zeichen für beachtliche Leistungen bei stärkster Konkurrenz.  Es soll nicht Sinn der Chronik sein, Erfolge über Erfolge aufzuzählen, diese aber verdienen besondere Beachtung, weil sie in einer schweren Zeit errungen wurden und die Vorkriegserfolge als „nicht zufällig“ bestätigten.

Das gesellschaftliche Leben des Vereins war besonders im ersten Jahr nach der Wiederbegründung rege, von Kameradschaft beseelt und vielgestaltig. Sommerfeste, Kinderbescherungen zu Weihnachten usw. zeugen auch heute noch vom regen Leben der Kanu-Freunde.

1949 kündigte das R.W.E. den Pachtvertrag für das Bootshaus. Nun hieß es eigene Wege gehen. Ein Bootshaus sollte gebaut werden, welches den Kanu-Freunden gehört. Der Beschluss wurde nach Überwältigung tausender freiwilliger Arbeitsstunden „großer Papierberge“ Wirklichkeit. Einweihung des neuen Hauses war am 25.November 1950.

1953 war das neue Heim der Kanu-Freunde-Essen (bis auf ein paar Schönheitsfehler) fertig. Drei Jahre wurde das Paddel mit Schaufel, Kelle und sonstigen Bauwerkzeugen vertauscht, um dieses unser eigenes Heim zu schaffen. Ein Heim was sich sehen lassen kann. Unmittelbar an der Ruhr gelegen. Mit ausreichendem Raum. Zeltplatz, Liegewiese und Platz für die Boote.

Naturgemäß hat Training und Beteiligung an Rennen durch die enormen Arbeitsleistungen am Bau gelitten. Auch waren einige Rennfahrer in andere Vereine übergegangen, weil sie die Arbeit nicht dem Rennsport vorzogen. Unsere noch vorhandenen Rennfahrer hatten bereits drei Jahre ausgesetzt und auch das Bootsmaterial genügte kaum noch den Trainingszwecken.

Geld für neue Boote war nicht vorhanden. Unser Heim hatte nicht nur die spärlichen Ersparnisse aufgezehrt, sondern auch bei den Mitgliedern beachtliche Löcher in die Geldbeutel genagt. So blieb es nicht aus, kein Rennen mehr zu beschicken.

Der Wasserwandersport diente ab sofort aktiv dem Ausgleich. Den gleichen Namen, der in den Jahren vor und unmittelbar nach dem Krieg von den Rennfahrern über Essens Grenzen hinausgetragen wurde, verkörpert heute die Wanderfahrer mit gleichem Stolz und gleicher Würde.

Schon Jahre befinden sich die Kanu-Freunde unter den Ersten bei Bezirks-Wanderfahrer-Wettbewerb.

Es gibt kaum ein Mitglied, ob alt oder jung, welches nicht Inhaber eines Wanderfahrabzeichen wäre, ob Bronze, Silber oder Gold.

Für alle Kanu-Freunde gilt nur das Eine: „Immer wieder große und kleine Flüsse, ob zahm oder wild, zu befahren um in der Schönheit der Natur mit gleichgesinnten Kameraden, unvergessliche Erlebnisse zu sammeln.

Die heutigen Kanu-Freunde, 51 an der Zahl, brauchen jetzt nur noch auf das achtzugeben und zu erhalten, was manches langjährige Mitglied mit geschaffen hat. Aber auch die, die in das fertige Heim kamen, sollen wissen, wie schwer (nicht nur finanziell) es war, dieses Haus und Heim zu erstellen.

Alle Kanu-Freunde werden in dieser Stunde den Vorsatz fassen diesem Idealismus nachzueifern, zum Wohle des Vereins und nicht zuletzt als Anerkennung für das Geleistete. Ein jeder handelt so, als hinge das Geschick des Vereins von ihm ab.

1971 überließ uns die Stadt Essen nach langen Verhandlungen endlich das unbenutzte Nachbargrundstück. Es war ein riesiger Abfallhaufen! Wie immer, gingen die Kanufreunde mit großem Eifer an die Arbeit. Zur Unterstützung hatten sie einen Schaufellader, eine Planierraube und drei LKW aufgetrieben.

Am gleichen Wochenende war das Grundstück eingeebnet, eingesät und der zusätzliche Zaun gesetzt. Nach vier Wochen sah man das erste „Grün“ sprießen.

1973 Um für gemeinschaftliche Wanderfahrten nicht immer bei Nachbarvereinen einen Mannschafts-Canadier leihen zu müssen, fassten die Kanufreunde den Entschluss, sich ein eigenes Boot anzuschaffen. Der Gong, ein Andenken an unser 40 Jähriges Bestehen, der bis zu diesem Zeitpunkt für den nötigen Kenterwein sorgte, wurde für die Finanzierung dieses Kanadiers benutzt. Die Mitglieder rissen sich darum gongen zu dürfen um für jeden Gongschlag DM 2,- zahlen zu können. Wie üblich waren die Kanufreunde sehr aktiv und schafften es in kurzer Zeit das Boot anzuschaffen. Es war selbstverständlich ihm den Namen

„Gong“

zugeben. Die Begeisterung war so stark, dass der dazugehörige Bootanhänger mit bezahlt werden konnte.
Bis heute werden mit unserem Boot „Gong“ und unseren eigenen Booten viele Wanderfahrten im In- und Ausland durgeführt. Dabei wurde aber nie vergessen, das Gelände zu pflegen und das Bootshaus zu verschönern.